Facebook als Briefkasten? Ein Kommentar zum BGH-Urteil im Facebook-Streit

Jetzt ist es also soweit: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das lange erwartete Urteil im „Facebook-Fall“  verkündet, bei dem sich die Eltern eines mit 15 verstorbenen Mädchens und Facebook gegenüberstanden. Im Mittelpunkt des jahrelangen Streites stand die Frage, ob die Eltern als Erben Zugang zum FB-Konto ihrer Tochter erhalten sollten. Für beide Positionen gab es gute Gründe. Bei digital.danach sind wir überzeugt, dass in Sachen digitaler Nachlass trotz des Urteils (oder gerade deswegen) noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein wird.

Bereits nach dem Verhandlungstermin am 21. Juni 2018 war die Tendenz des BGH wahrscheinlich – das Urteil würde wohl für die Erben ausfallen. Und so war es dann bei der Verkündung am 12.07.2018 auch (hier die Pressemeldung des BGH).

Rechte und Pflichten

Inhalt

Vertreter des deutschen Erbrechts sind mit dieser Entscheidung zu Gunsten der Erben zufrieden – das Urteil bestätigt, wofür sie sich schon lange einsetzen. Matthias Pruns z. B. spricht von einem „richtigen Urteil“. Er weißt aber auch auf die daraus entstehenden Pflichten der Erben hin:

Gestärkt wird hiermit die Rechtsstellung der Erben – aber mit jedem Recht gehen auch Pflichten und Verantwortung einher.

Und: Auch die Interessen der Kommunikationspartner der Verstorbenen seien weiterhin berechtigt:

Berechtigte Interessen der Kommunikationspartner, etwa auf Löschung bestimmter intimer Inhalte, sind dadurch nicht ausgeschlossen. Die Kommunikationspartner müssen sich aber an die Erben wenden. Die Betreiber sozialer Netzwerke treffen hier keine Treuhandaufgaben.

(RA Matthias Pruns am 12.07.2018 bei StiftungsrechtPlus)

Ein Aber bleibt

Was mich trotz allem nachdenklich zurücklässt, ist der Vergleich der Kommunikation bei Facebook mit Briefwechseln und Tagebüchern, wie er schon oft gezogen wurde und wie ihn auch der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung macht. Dieser Vergleich greift meiner Meinung nach viel zu kurz. Denn was in einem Facebook-Account an Kommunikation abläuft, ist deutlich mehr als ein analoger Briefwechsel: Wer Zugang zu einem Facebook-Account hat, der kann nicht nur private Chats nachverfolgen, die einem Briefwechsel tatsächlich noch relativ nahe kommen. Sondern er erhält auch automatisch Zugriff auf die geschlossenen Gruppen, in denen der Verstorbene Mitlgied war, ohne dass die anderen Gruppenmitglieder davon erfahren.

Die Kommunikation, die dort stattfindet, steht im Vergleich zu einem Briefwechsel auch nicht still, nachdem ein Teilnehmer verstorben ist, sondern läuft weiter. Die Erben hätten also auch Zugang zu Gesprächen, an denen der Verstorbene nie beteiligt war. Diese Zugriffsmöglichkeiten, die ein Facebook-Login mit sich bringt, sind also wesentlich weitreichender als bei einem postalischen Briefkasten.

Viele offene Fragen für die Zukunft

Prinzipiell ist es begrüßenswert, dass den Erben die Regelung des digitalen Nachlasses erleichtert wird. Und gerade, wenn Vorsorgende vorgesehen haben, dass ihre Erben ihre Accounts ihren Wünschen gemäß verwalten sollen, ist das eine wichtige Grundlage. Nichtsdestotrotz sollten die Rechte der Kommunikationspartner jetzt nach diesem Urteil nicht aus dem Blick verloren werden. Gerade jetzt, wo wir im Rahmen der DSGVO versuchen, die Daten der Verbraucher stärker zu schützen.

Deswegen: Zugang für Erben ja, aber mit Bedacht. Dass sich Kommunikationspartner erst aktiv an die Erben wenden müssen, kann nicht die Lösung sein – oft werden sie nämlich gar nicht wissen, dass ein Gesprächspartner bereits verstorben ist, und unter dessen Namen evtl. ein Erbe mitliest. Wer nicht direkt über einen Todesfall informiert wird, sieht einem Account nicht an, ob der Mensch dahinter noch lebt oder bereits verstorben ist. Es werden also definitv in Zukunft noch viele Fragen in Bezug auf digitale Nachlässe zu verhandeln sein.

Vorsorge bleibt nach dem Urteil das wichtigste Thema

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich auch jetzt, nach diesem Urteil, Gedanken über eine Vorsorge für die eigenen digitalen Angelegenheiten machen und eigene Wünsche formulieren. Wer zum Beispiel nicht möchte, dass bestimmte Daten oder Zugänge an die Erben übergehen, sollte das unbedingt festhalten.

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