Trauer im Game: Dan Hetts experimentelle Spiele

Schon mehrmals haben wir bei digital.danach über die Art und Weise berichtet, wie Menschen mit ihrer Trauer im Internet umgehen. Der britische Software-Entwickler Dan Hett verarbeitet seine Erfahrungen um den Tod seines Bruders auf seine ganz eigene Weise – er entwickelt Spiele. Wir haben uns eines davon näher angeschaut.

Wenn ich über Trauer im digitalen Raum spreche, zitiere ich gerne die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Anke Offerhaus, die in einem ihrer Aufsätze geschrieben hat:

„Medien dienen und dienten immer schon der Erinnerung an Verstorbene und sind somit essenziell für den Ausdruck von Trauer“

Offerhaus, Anke: Klicken gegen das Vergessen – Die Mediatisierung von Trauer- und Erinnerungskultur am Beispiel von Online-Friedhöfen, S. 39. In: Thomas Klie / Ilona Nord (Hrsg.): Tod und Trauer im Netz, (S. 37- 62).

Hier bildet auch das Internet keine Ausnahme. Menschen bloggen, gestalten Gedenkseiten, posten bei Facebook oder sprechen in YouTube-Videos über ihre Trauer. Über einen Artikel beim Guardian bin ich auf eine weitere Ausdrucksform aufmerksam geworden: Programmieren. Keza MacDonald stellt in ihrem Beitrag Games console: Dan Hett, the indie game designer pouring his grief into interactive art den Software-Entwickler und Digital-Künstler Dan Hett vor, der seine traumatischen Erfahrungen um den Tod seines Bruders in autobiographischen, experimentellen Games verarbeitet.

Hetts jüngerer Bruder Martyn kam letztes Frühjahr beim Terroranschlag auf ein Popkonzert in der Manchester Arena (Manchester Arena bombing, 22. Mai 2017) ums Leben. Die letzte Nachricht, die er seinem großen Bruder schrieb, wird namensgebend für dessen erstes Spiel: C ya laterrrr.

Bei C ya laterrrr handelt es sich um Hypertextfiction. Weniger Videospiel als viel mehr eine interaktive Story, bei der die Leser / Spieler wählen können, wie die Geschichte weitergeht. In dieser Form verarbeitet Hett seine Erlebnisse und Gedankengänge rund um das Unglück:

“Ultimately, everyone has different ways of dealing with grief and trauma, and this is mine. If I were a painter or poet or something, then it would be wholly reasonable for my painting or poetry to take on a different tone based on this kind of massive life experience. Unfortunately I’m neither a painter or a poet, but I certainly do design video games, and here I am.”

Nicht nur Hetts tatsächliche Erlebnisse fließen in das Spiel mit ein, sondern auch seine vielen „Was-wäre-wenn“-Gedankengänge. Alle zusammen bilden die Erzählgrundlage, aus der die Spieler selbständig ihren Story-Pfad auswählen, indem sie Entscheidungen treffen müssen. Hier ein paar Beispiele:

Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction-Game C ya laterrrr: Was willst du als nächstes tun?
Beispiel 1: Du hast zahlreiche verpasste Anrufe und ungelesene Nachrichten auf deinem Handy – was machst du als erstes? (Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction-Game „C ya laterrrr“)
Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction Game „C ya laterrrr“: Du schreibst deinem Vater eine Textnachricht.
Beispiel 2: Du versuchst, deinen Vater zu erreichen. (Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction Game „C ya laterrrr“)
Beispiel 3: Du trittst vor die Haustür (Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction Game „C ya laterrrr“)
Beispiel 3: Es hat geklingelt. Du trittst vor die Haustür. (Screenshot aus Dan Hetts Hyperfiction Game „C ya laterrrr“)

Eindrücklich ist auch die Vermisstensuche via Social Media. Dan Hetts tatsächlicher Suchaufruf bei Twitter, der 9.949 Mal retweetet wurde (Stand 17.05.2018), wird ebenfalls Teil der Story: Die Spieler entscheiden dabei wie vor ihnen bereits Hett, ob sie für diesen Tweet das neueste Foto seines Bruders posten möchten, oder das, auf dem er am glücklichsten aussieht.

Egal, welche Entscheidungen die Spieler letztendlich treffen – das Ende bleibt gleich.

Inzwischen wurde C ya laterrrr ca. 12.000 Mal gespielt. Hett fragt sich, wie viele der Spieler wohl zufällig genau den Weg genommen haben, den auch er selbst gewählt hat.

Dan Hetts zweites Spiel über Martyns Tod, The Loss Levels, wurde Anfang April auf dem Now Play This Festival in London gezeigt. Momentan arbeitet er am dritten mit dem Titel Sorry to Bother You. Und er hat bereits den Plan für eine technisch komplexeres Game im Kopf: Closed Hands.

 

Hier kann C ya laterrrr kostenfrei gespielt werden: https://danhett.itch.io/c-ya-laterrrr – Spenden sind willkommen.

Mehr zum Thema Spiele und Trauer gibt es in unserem Artikel über Trauerkultur in Computerspielen.

 

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