Alle reden über Trauer – auch im Internet (#alleredenübertrauer)

Seit 2015 beschäftigen wir, Sabine Landes und Dennis Schmolk, uns unter https://digital-danach.de mit Tod und Trauer im Internet. Seitdem sehen wir diese Themen anders. Wie, erzählen wir in diesem Beitrag zur Blogparade „Alle reden über Trauer (?)“ von in-lauter-trauer.de.

Dennis: Es geht beim Thema Trauer nicht um mich …

Inhalt

Wenn ich mit Freunden, Familie oder Smalltalkpartnern darüber spreche, was ich mit digital.danach tue, ist Trauer meistens recht weit weg. Fragen des Erbrechts oder dazu, wie man eine Nachlassregelung technisch umsetzt, sind eben doch eher technokratisch-abstrakt. Und die erste Reaktion ist oft: Was interessiert mich das, wenn ich tot bin?

Manchmal sind engere Bekannte dabei reservierter als komplett Fremde. Gerade auf Barcamps und anderen „lockeren“ Veranstaltungen, auf denen wir regelmäßig Sessions halten, ergeben sich immer wieder recht tiefe Gespräche. Es geht dann oft um verlorene Menschen, um Trauer im Digitalen und um Erinnerungen.

Irgendwann taucht aber in jedem Gespräch der Gedanke auf: Auch ich werde sterben, und dann wird es (hoffentlich) Menschen geben, die um mich trauern. Erst da verstehen die meisten, worum es beim Thema Nachlass-Vorsorge geht: Vor allem darum, den Trauernden ein bisschen leidvolle Arbeit abzunehmen und sich selbst Gedanken zu machen. Das geht nicht, ohne mit ihnen darüber zu reden, was mit der (digitalen und sonstigen) Identität passieren soll, wenn man nicht mehr da ist.

Daher: Lasst uns über Tod und Trauer reden!

Sabine: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unsere Trauerkultur?

Seit wir uns so intensiv mit digitalem Nachlass beschäftigen, denke ich immer wieder über die Frage nach, welchen Einfluss das Netz auf unsere Trauerkultur hat. Als Medium bringt es neue Möglichkeiten mit, wie wir unsere Trauer ausdrücken können, z.B. mit Gedenkseiten oder mit einem Abschiedsposts in den sozialen Medien. Wie überall polarisiert die Digitalisierung auch hier. Während die einen ausprobieren, sich in Trauerforen mit anderen austauschen, bloggen, gestalten, sind die anderen skeptisch und fragen sich, was denn Trauer im Netz verloren hat. Ja sogar pietätlos sei es, das Thema ins Netz zu tragen.

Aber sprechen wir, seitdem wir das Netz dafür nutzen können, auch mehr über Trauer und Tod? Meine ganz persönliche (unbestätigte) Theorie: Gerade mit dem Internet, das wie nichts anderes für unsere moderne Gesellschaft steht, die sich selbstoptimiert und Krankheit und Tod auszublenden versucht, geben wir der Trauer wieder mehr Raum. Das Thema Tod rückt wieder näher ans Leben. Selbstverständlich kommt es auf den Kontext an. Unsere Facebook-Postings zu digitalem Nachlass werden nie so viele Likes bekommen wie niedliche Erdhörnchen, Esel und Katzen. Dazu ist der Unterhaltungsfaktor einfach zu gering. Trotzdem stehen z.B. bei Facebook die Profile Verstorbener neben den Profilen der Lebenden, nicht separiert.

Das Digitale als Brücke

Hin und wieder werden wir gefragt, ob es denn nicht schwer sei, sich tagein tagaus mit so ernsten Themen wie Trauer und Tod zu beschäftigen. Nein, eigentlich nicht so sehr. Den Grund hat Dennis schon angesprochen. Mit dem Thema digitaler Nachlass beschäftigen wir uns gar nicht unmittelbar mit Tod und Trauer, sondern mit der Digitalisierung von Tod und Trauer. Die Technik ist wie ein Puffer dazwischen. Damit lässt es sich etwas leichter umgehen. Und darüber lässt sich auch leichter reden. Das geht auch anderen Menschen so. Das fällt mir z.B. immer wieder auf, wenn wir Vorträge zum digitalen Nachlass halten oder anderen Referenten lauschen. Über die Technik dazwischen fällt die Annäherung an die Tabuthemen leichter. Es erstaunt mich immer wieder, wie lebendig die Unterhaltungen sein können und wie viele Fragen aus dem Publikum kommen. Stimmt der Rahmen, gibt es einen geschützten Raum, sprechen die Menschen auch im Analogen über den Tod. Und sei es über technische Umwege.

Das Netz als neuer Raum für Trauer

Noch leichter fällt es aber im digitalen Raum, über Trauer und Tod zu sprechen. Das Netz als Kommunikationsmittel kommt schwierigen Themen entgegen, indem es uns eine Mischung aus Privatheit und Öffentlichkeit anbietet. Es verbindet die Intimität des Schreibens mit dem öffentlichen Raum. Es ist leichter, über Kummer zu tippen, als unter Menschen zu stehen und davon zu erzählen. Und trotzdem sprechen wir z.B. mit einem Blog- oder einem Forenbeitrag eine breitere Öffentlichkeit an, als mit einem Tagebucheintrag. Das beste Beispiel, wie gut es sich im Netz über Trauer sprechen lässt, ist Silkes Blogaktion hier. In diesem Sinne: Seid laut und nutzt das Netz!

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