Gegen den Gedanken „Ach, mach ich später!“ – SOMNITY

Michael Brück ist Geschäftsführer der Netzbetreuer GmbH und arbeitet seit einiger Zeit an einer Vorsorgelösung für die eigenen Daten. Der Service SOMNITY (Website, FB) ist vor Kurzem gestartet. Wir haben Michael Brück zur Dienstleistung und zu den Hintergründen befragt.

Abb: Somnity-Gründer Michael Brück
Somnity-Gründer Michael Brück. (Copyright: fotoatwork)

Was genau ist SOMNITY und wie funktioniert es?

SOMNITY stellt einen hochverschlüsselten digitalen Datensafe zur Verfügung, in dem die Kunden ihre Daten/Kennwörter verwalten können. Einer der wesentlichen Vorteile liegt darin, dass die Daten bereit VOR dem Upload auf unsere Server auf dem Rechner des Anwenders verschlüsselt werden. Die Daten werden, nach Ableben des Anwenders, den Angehörigen zur Verfügung gestellt, damit die sich ohne lästigen Papierkram/zeitraubenden Aufwand um den digitalen Nachlass kümmern können. Der Anwender selbst entscheidet, was mit seinen Daten passieren soll, ohne dass ein Dritter involviert ist. Weder beim Erstellen der Daten, noch nach dem Ableben. Meine Überlegung war eben, ob ich wollen würde, dass meine Rechner an ein Unternehmen übergeben werden, oder sich Dritte durch meine privaten Dinge „schnüffeln“, wenn ich tot bin. Privatsphäre steht hier mit an erster Stelle.

Privatsphäre steht an erster Stelle – lassen sich unterschiedliche Menschen mit dem Nachlass bedenken, ohne, dass sie etwas davon erfahren müssen?

Hier gibt es aktuell noch eine Grauzone, was das deutsche Recht angeht. Wir haben in unserer Software die Möglichkeit, an einzelne Personen Nachrichten zu hinterlassen, oder auch Zugänge/Passwörter/etc. Sollte ein Kunde diesen Wunsch haben, können wir den NOCH erfüllen.

Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, einen „Post Mortem Datensafe“ zu entwickeln? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Mir ging bei einem kleinem Unfall meinerseits durch den Kopf, was wohl mit meinen Sachen passiert. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch alleine gelebt und mir vorgestellt, wie meine Eltern/mein Bruder durchs Haus irren und versuchen, meine Unterlagen zu finden. Da ich als IT´ler fast alles digital gespeichert habe, wäre das für die ein hoffnungsloses Unterfangen. Denn meine Rechner sind alle verschlüsselt, was zu dem Problem führt, dass auch eines der Unternehmen, die sich um Hardware nach dem Ableben kümmern, nicht sehr weit gekommen wären. Auch herauszufinden, wo ich überall Accounts habe, ist nicht möglich. Wer benutzt schon immer seinen Namen in der Adresse, oder meldet sich mit sinnigen Kombinationen dessen an? Stichwort Datingseiten, etc. 😉

SOMNITY verzichtet bewusst auf eine Dead Man’s Switch-Funktion. Warum?

Wir möchten auf gar keinen Fall den Anwender/die Kunden in (un)bestimmten Zeitabständen an ihr Ableben erinnern. Ich persönlich finde das unpassend und würde eine Dienstleistung nicht in Erwägung ziehen, die mir meine Sterblichkeit immer wieder bewusst macht.

Was hat es mit den Urkunden und Zertifikaten auf sich, die von SOMNITY verschickt werden?

Die Urkunde ist DAS Schriftstück, das unser Kunde in seinen Unterlagen abheften muss, um seinen Liebsten das Wissen zu hinterlassen, dass ein Account bei uns besteht. Es handelt sich hier um eine DinA5-Urkunde mit den persönlichen Daten, der Kundennummer und dem Hinweis, dass ein Account besteht und wohin sich die Hinterbliebenen wenden können.

Das Zertifikat, dient zum Entschlüsseln der Daten. Aktuell liegt dieses abgespeichert auf einem nicht am Internet angeschlossenen Medium. Sollten uns Kunden nicht Vertrauen, was ich nachvollziehen kann, so haben diese die Möglichkeit, sich ihr persönliches Zertifikat zusenden zu lassen und ebenfalls abzulegen. Vorteil: Der Kunde hat alles in seiner Hand, niemand ist in der Lage, seine Daten zu entschlüsseln. Nachteil: Das Zertifikat ist einmalig und nicht reproduzierbar. Was wir mitteilen. Ist das Zertifikat weg/verloren, gibt es keine Chance, die Daten wiederherzustellen.

Wie kommt der Erbe an die Daten?

Der Erbe meldet sich mit Sterbeurkunde, Erbschein bei uns und teilt uns vom Ableben des Kunden mit. Wir prüfen die Daten und senden, je nach Paket, die Daten zu. Im kleinen Paket stellen wir einen gesicherten Downloadlink zur Verfügung. Im mittleren Paket werden die Daten per Post zugesandt und die Empfänger müssen sich per Postident-Verfahren authentifizieren. Das Tool zum Entschlüsseln der Daten wird aus Sicherheitsgründen grundsätzlich auf zweitem Weg verschickt. Im großen Paket werden die Daten deutschlandweit zu den Erben nach Hause gebracht. Ein Kurier (aus unserem Haus!) wird auf den Weg geschickt und übergibt die Daten persönlich, nachdem er sich von den Unterlagen der berechtigten Erben eine Kopie gemacht hat.

Jetzt bin ich neugierig. In welcher Form übergibt der Kurier denn die Daten? Auf einem Stick? Auf einer externen Festplatte?

Im großen Paket! Wenn die Daten persönlich übergeben werden sollen, werden wir eine besonders hübsche Holzkiste haben, in der die Daten auf einem USB-Stick sind. Natürlich verschlüsselt! Wir möchten nicht in die Privatsphäre der Kunden eindringen. Sollte ein Angehöriger, egal welches gebuchten Paketes, den Wunsch haben, dass wir unterstützen sollen beim Aufbereiten der Daten, dann werden wir das selbstverständlich tun. Wir sind am Überlegen, ob wir auch das vor Ort anbieten sollen, direkt auf dem Rechner der Hinterbliebenen. Damit keine der meist sehr vertraulichen Daten übers Internet übertragen werden.

Wie lange dauert es dann, bis ein Erbe die Dokumente einsehen kann?

Wenn alle Unterlagen vollständig übersandt werden, können wir alles innerhalb einer Woche erledigen. Weitaus kürzer, als sich (wie bereits angesprochen) mit den ganzen Plattformen/Institutionen selbst in der Trauerphase herumzuschlagen.

Abbildung: Somnity-LogoAngenommen, Julia hat bei ihrem digitalen Nachlass den Wunsch hinterlegt, dass ihre Schwester innerhalb der nächsten fünf Tage Julias Facebook-Freunde informieren und sie zur Beerdigung einladen soll. Besteht die Chance, schneller Zugriff auf den SOMNITY-Safe zu bekommen?

Aktuell brauchen, nein MÜSSEN wir eine Sterbeurkunde vorliegen haben. Je nachdem wie schnell diese organisiert wird und uns vorliegt, können wir auch Zugriff gewähren.

Entscheide ich mich für ein Abo bei SOMNITY, muss ich maximal für sieben Jahre bezahlen. Das klingt aus Kundensicht interessant – warum nur sieben Jahre?

Die Überlegung war, so vielen Menschen wie möglich die Möglichkeit zu bieten, ihren digitalen Nachlass zu verwalten. Das geht nur mit einem kleinen Betrag und kurzen Laufzeiten. Wenn ein 30-jähriger überlegt, das er evtl. 50 Jahre für ein Tool zahlen soll, dann sind das sehr schnell große Summen, bei denen man dann wieder bei dem Gedanken „ach, mach ich später“ ist. Was niemandem hilft. Wir haben die letzten Jahre (leider) immer wieder von Fällen gehört, in denen ein geliebter Mensch, völlig gesund und munter, mitten im Leben dann unangekündigt verstarb. Daher sollte jeder seine Sachen ordnen. Der Passwortmanager in unserem Tool ist da meiner Meinung nach einer der wichtigsten Bestandteile!

Eine Frage geht mir bei allen Diensten durch den Kopf, die auf ein ganzes Menschenleben ausgerichtet sind: Könnt ihr euren Kunden, die vielleicht erst in 50 Jahren sterben, versprechen, dass SOMNITY auch dann noch den digitalen Nachlass an die Hinterbliebenen zustellt?

Wir haben uns groß auf die Fahne geschrieben, dass wir einen zuverlässigen Dienst auf die Beine stellen wollen und hoffen natürlich auch, dass wir in 50 Jahren noch existieren. Es gibt keinerlei Pläne, die Software an ein großes Unternehmen zu verkaufen, oder wieder einzustellen. Wir möchten zukunftsorientiert unsere Dienste weiter ausbauen und allen Kunden eine saubere und stabile Lösung bieten, die mindestens noch 50 Jahre existiert.

Und zu guter Letzt: Hast du inzwischen selbst für deinen digitalen Nachlass vorgesorgt?

Selbstverständlich! Ich kann ja schlecht für ein Produkt werben, hinter dem ich selbst nicht stehe, oder dem ich nicht vertraue. Alle meine wichtigen Daten sind in SOMNITY hinterlegt und im Passwortmanager steht schon, was mit welchem Account zu passieren hat, wenn ich mal die Augen zu mache. Was hoffentlich noch sehr lange dauert 😉

2 Gedanken zu „Gegen den Gedanken „Ach, mach ich später!“ – SOMNITY“

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