Digitaler Nachlass im April 2017

Was war im April 2017 los in Sachen digitaler Nachlass? Ein kurzer Monatsrückblick von Facebook-Urteil bis SternTV und einer Lektüreempfehlung.

Fortsetzung im Musterprozess zum digitalen Nachlass

Inhalt

Für sehr viel mediale Aufmerksamkeit sorgte, dass Ende April am Berliner Kammergericht die Fortsetzung in Sachen „Facebook-Urteil“ folgte. In erster Instanz hatte das Berliner Landgericht Ende 2015 im Sinne der Klägerin entschieden. Der Mutter sollte Zugang zum Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter gewährt werden. Facebook war in Berufung gegangen.
Jetzt schlagen die Richter eine gütliche Einigung vor. „Vielleicht wird diese möglich, indem die Namen der Chat-Partner im Account der Tochter durch Facebook anonymisiert werden. Dann sei eine inhaltliche Einsicht trotzdem möglich“, berichtet Ulf Morling für rbb|24 (nicht mehr verfügbar, Stand 30.4.2018). Kommt es nicht zur Einigung, wird das Kammergericht am 30. Mai das Urteil verkünden.

Ob sich aus diesem Prozess, der digitalen Nachlass zum ersten Mal unmittelbar zum Thema hat, allgemeingültige Regeln ableiten lassen, bleibt fraglich, da der Fall als solcher sehr speziell ist. Mehr dazu auch hier.

Digitaler Nachlass bei SternTV

Am 26.04.2017 zeigte SternTV einen sechsminütigen Beitrag mit dem Titel „Wie Erben mit dem digitalen Nachlass von Verstorbenen umgehen sollten“.
Im Film kommt vor allem die emotionale Ebene zur Geltung. Daniela Caruso aus Konz bei Trier berichtet vom digitalen Nachlass ihrer 19-jährigen Tochter Daniela und von ihren Schwierigkeiten, auf die Inhalte zuzugreifen. Für sie als Mutter waren sie von hohem emotionalen Wert. SternTV-IT-Experte Tobias Schrödel half und verschaffte Zugang zum Smartphone. Der kurze Film ist leider nicht mehr online, erwähnt wird Daniela Carusos Geschichte aber noch in einem Artikel zum Beitrag. Parallel dazu gab es auch einen Rat und Hife-Chat. Rechtsanwalt Christian Solmecke gab Antworten auf Zuschauerfragen.

Auch ZDF heute hat das Thema digitaler Nachlass aufgenommen. Am 27.04.2017 erschien eine kurze Reportage über den Nachlassverwalter Wilhelm Bühler.

 c’t: digitaler Nachlass als Schwerpunktthema

Wir haben uns 2016 sehr über den Besuch von Lea Lang, c’t-Redakteurin, bei der digina16 gefreut. Die Beschäftigung mit dem Thema digitaler Nachlass trägt nun Früchte: Wie letzten Monat schon angekündigt, wendet sich die Ausgabe 8/2017 vom 1. April auf 24 Seiten der Frage zu, was mit dem digitalen Leben nach dem Tod geschieht.

Die Schwerpunkte liegen dabei auf folgenden Themen:

  • Archivierung: Dabei geht es nicht nur um die technischen Aspekte (Speicherplatz, redundante Backups, Dateiformate), sondern auch um das „Ausmisten“ schon zu Lebzeiten. Ein unübersichtlicher Nachlass dient niemandem
  • Rechtliches: Was sagt das Erbrecht? Wie funktioniert die Erbfolge? Wann lohnt es sich, einen Anwalt einzuschalten?
  • Accountweitergabe: Welche Dienste helfen dabei? Woran sollte man denken?
  • Nachsorge: Wie lassen sich „Accounts zu Grabe tragen?“ Welche Dienstleister gibt es?

Insgesamt ließe sich aus dem Thema noch bedeutend mehr machen, etwa in Hinblick auf die c’t-Zielgruppe der Freiberufler, die ja u.U. ein gesamtes Familieneinkommen auf ihrem Rechner und in der Cloud verwalten. Aber es freut uns, dass das Thema auch im IT-Magazin-Sektor ankommt!

Über ihre Recherchearbeit zum Titelthema unterhalten sich die Redakteure übrigens auch in c’t uplink 16.4: Digitales Vermächtnis, Samsung Galaxy S8 und Snapchat Spectacles. Auch hier in der Runde mit dabei: Lea Lang.

Neuer Vorsorgedienstleister am Markt: App LifeCompanion

Pünktlich zum Osterwochenende ging der Münchner Unternehmer Leonhard Bichler mit seiner Vorsorge-App LifeCompanion bei GooglePlay und im iTunes-Store an den Start. Sie will persönlicher „Begleiter durch alle Stationen des Lebens und darüber hinaus“ sein. Das Angebot ist ausschließlich als App, nicht als Browseranwendung verfügbar.

Leseempfehlung: Amerikanische Studie zum Trauerverhalten bei Facebook-Usern

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Jan Kalbitzer bespricht in seinem Gastbeitrag Und was passiert, wenn jemand stirbt? bei Zeit Online eine aktuelle soziologische Studie, in der zwei amerikanische Wissenschaftler anhand von Facebook-Daten untersuchen, wie sich die User bei Trauerfällen verhalten. (Nature Human Behaviour, Hobbs & Burke, 2017).

„Was die aktuelle Studie hierbei besonders macht, ist ihre Datenmacht: Noch nie wurden die sozialen Folgen von Todesfällen anhand eines so umfangreichen Datensatzes untersucht – und zwar, und hier liegt die Brillanz der Studie, unter umfangreicher Berücksichtigung der Beziehungen der Beteiligten vor dem Todesfall.“

Fazit: Unser zwischenmenschliches Verhalten nach einem Trauerfall ist im Netz nicht anders als im analogen Raum.

Der Haken an der Sache: Laut Kalbitzer ist der Zweitautor der Studie Angestellter von Facebook und der Erstautor hat früher bei dem Unternehmen gearbeitet. Kalbitzer stellt die Frage nach Datenschutz und ethischen Grundlagen wissenschaftlichen Handelns in Bezug auf Big Data.

Es ist

„schade, dass diese brillante Studie nicht von unabhängigen Wissenschaftlern durchgeführt wurde. Denn es ist so eine wichtige Erkenntnis, dass die Unterteilung in ein „reales“ Leben und ein Leben in den sozialen Medien nicht sinnvoll ist – sondern dass sich beide Lebenswelten häufig spiegeln und ergänzen. Und dass wir deswegen auch im Internet Verantwortung übernehmen müssen, wenn wir mitbekommen, dass es jemandem – zum Beispiel aufgrund eines Verlustes – nicht gut geht.“

Schreibe einen Kommentar

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen