„Daten nach dem Tod sind nicht sexy genug“ – Gastbeitrag von Angelika Wohofsky

Angelika Wohofsky befüllt das Blog „Entdeckt die Welt“ mit News zu Online-Marketing und Reisen. Berufsbegleitend studiert sie Online Media Marketing – und bloggt in diesem Rahmen bei „Was passiert, wenn’s passiert“ über digitalen Nachlass. In diesem Gastbeitrag schreibt sie über den Nachrichtenwert von Daten, die Berichterstattung zu digitalen Nachlässen und die Aufbereitung des Themas.

Als wir an der Donauuniversität Krems das Blogprojekt „Digitaler Nachlass“ von der Lehrgangsleiterin „serviert“ bekamen, wusste unsere Arbeitsgruppe („Leidensgemeinschaft“) nicht viel damit anzufangen. Erst durchs Einarbeiten ins Thema zeigte sich: Einen kritischen und umfangreichen Diskurs über digitale Daten nach dem Tod gibt es weder in Medien noch bei jenen, die sich um digitale Strategie von Berufs wegen kümmern sollten. Aktivitäten Einzelner wie jene der Macher von digital.danach ausgeschlossen.

„Bitte nicht jetzt!“

Inhalt

Angelika Wohowsky über Berichterstattung und Nachrichtenwert zu digitalem NachlassNatürlich fühlt man sich vor den Kopf gestoßen, wenn man digitales Erbe, Nachlassverwaltung und die persönlichen digitalen Spuren im Internet nach dem eigenen Tod in einem Blogprojekt aufzubereiten hat. Unsere Reaktionen aufs gestellte Thema machen das deutlich:

„Was? Ich soll mich drum kümmern, was mit meinen Fotos im Netz passiert? Und was man mit meinen Clouddaten tun sollte? Geh, bitte. Das hat doch Zeit. Nicht jetzt. Mein Gott, dieses Thema ist doch nicht sexy genug. Und für welche Zielgruppe sollen wir schreiben? Am besten für alle, und die älteren Onliner hätten das Thema eh nötig.“

Der gelernten Medien-Frau in mir fiel im Zuge meiner Recherchen zum Thema auf:

  • Es wird viel abgeschrieben.
  • Es gibt kaum neuen Content.
  • Überall liest man dasselbe.
  • Irgendwie drehen sich beim Thema digitaler Nachlass alle im Kreis.
  • Der Medien-Mainstream mag das digitale Erbe nicht.

Es geht um diese Kernfakten

Geht es um die Verwaltung digitaler Daten nach dem eigenen Ableben, werden dafür verschiedene Optionen von Sozialen Netzwerken für ihre User angeboten. Facebook kann dein Profil auf Gedenkstatus stellen, du kannst eine Gedenkgruppe einrichten, oder du beauftragst als Hinterbliebener eine spezielle Agentur, die Daten des Verstorbenen zu löschen, zu verwalten.

Diese Optionen sollte man als Onliner kennen und entsprechende Vorsorge treffen. Das gilt besonders für Unternehmensdaten, wenn der Zugang zu Passwörtern  oder Nutzungsrechten (Fotos, Whitepapers,…) nicht geregelt ist. Was passiert, wenn dafür verantwortliche Personen im Unternehmen tödlich verunglücken? Es gibt Situationen, in denen man dann nicht mehr auf wichtige Firmendaten zugreifen kann, weil die Nachlassfrage ungeregelt blieb, Passwörter unbekannt sind.

Mainstream-Medien bleiben zu den digitalen Daten nach dem Tod meist gerne am Beispiel Facebook (Nachlasskontakt und Gedenkstatus) hängen. Darüber hinaus wird kaum berichtet. Oder sie stürzen sich auf einen PR-Bericht zu Dienstleistern wie die Wiener Städtische Versicherung. Beispielhaft dargestellt in diesem Artikel der österreichischen Tageszeitung Der Standard

Fehlender Nachrichtenwert?

Ich kann mir diese zögerliche und oberflächliche Reflexion zum Thema digitale Daten nach dem Tod nur damit erklären, dass tiefere Recherchen aus Zeitmangel und dem scheinbaren Mangel an Nachrichtenwert ausbleiben. Sprich:

„Das interessiert doch niemanden!“

Und was in Österreich oder Deutschland thematisch nicht gerade DEN Straßenfeger darstellt, kann nur wenige Leute hinter dem sprichwörtlichen Ofenrohr hervorholen. Schließlich muss ein Medium über Leserzahlen verfügen. Mit Daten nach dem Tod gewinnt man kaum Leser. Also fliegt das Thema in hohem Bogen vom Schreibtisch der Redaktion. Digitalen Nachlass regeln, was soll’s! Passt vielleicht zu Allerheiligen als Randthema in die Tageszeitung. Aufgepeppt mit einem Zombi-Titelfoto, was den Beitrag in die Halloween-Ecke rückt.

Und bei der Vielzahl der Veröffentlichungen, die alle den selben Content, ja sogar gleiche oder sehr ähnliche Sätze aufweisen, beschleicht mich das Gefühl, die Redaktionen wären großzügigst der journalistischen Unsitte des Copy Paste erlegen. Denn die Texte über digitalen Nachlass lesen sich wie direkt von einschlägigen Beiträgen bei mimikama.at, heise.de oder Netzpolitik.org kopiert. Leidenschaftslos, fad. Bla, bla, bla.

Muss also erst der Daten-Supergau passieren, bis man breitenwirksam den digitalen Nachlass diskutiert? So wie es im Themenfeld Datensicherheit geschieht, und ein Mega-Hack den Onliner nach Kontrolle rufen lässt? Klar, als Journalistin hätte ich gerne einen Terroranschlag mit digitalem Nachlass. Das ließe sich verkaufen! Das brächte Aufmerksamkeit.

Ahnungslos und Sorglos

Sind wir uns doch ehrlich. Jedem zweiten Unternehmen fehlt die Strategie für die digitale Transformation. Die meisten Führungskräfte sind der Meinung, diese hätte etwas mit der IT-Abteilung im Unternehmen zu tun. Und die Unternehmen hätten die Dringlichkeit dieses Wandels nicht verstanden.

Weshalb also über digitale Daten nach dem Tod diskutieren und eine Nachlassregelung planen, wenn wir nicht einmal wissen, wie wir mit der digitalen Transformation umgehen sollen und was diese tatsächlich für unseren Alltag bedeutet? Deswegen herrscht wohl auch bei Medien mit wirtschaftlichem Kontext das große Schweigen zu Daten nach dem Tod. Banaler Grund: Man hat keine Ahnung, wie damit umgehen. Es fehlt an Vorstellungskraft.

Zwischen Selbstüberschätzung und Wissensdefiziten

Ratlos und selbstüberschätzend geben 31 % der Unternehmenslenker an, digital mit der Firma auf einem guten Weg zu sein. Jedoch schließen sich nur 20 % der Mitarbeiter dieser Meinung an. (t3n)

Im Umkehrschluss sagt der hier zitierte „Transformationswerk Report 2016“ aber aus, dass sich eben 69 % der Unternehmenslenker nicht auf einem „guten Weg“ in Sachen digitaler Transformation zu befinden scheinen.

Die Problematik des digitalen Nachlasses dringt also gar nicht soweit ins Bewusstsein der Betroffenen, weil man sich noch mit den Herausforderungen der digitalen Transformation beschäftigt. Oder sich von ihr längst überfordert fühlt.

Wir hinterlassen Daten, überall und jederzeit

Auch Privatpersonen fehlt meist das Know-How im Umgang mit den eigenen digitalen Profilen und Daten. Lassen Sie mal ihren besten Freund die Cookies auf dem Smartphone löschen! Er wird es höchstwahrscheinlich nicht schaffen. Oder wie steht es mit Ihren Cookies am Laptop? Löschen Sie täglich den Verlauf? Wissen Sie, wo Sie überall Daten hinterlassen und haben Sie die Benutzerkonten unter Kontrolle?

Weitere Fragen dazu sind:

  • Haben Sie Ihre gesamten Profile und Passwörter im Überblick und deren Nutzung notariell im Testament geregelt?
  • Wissen Sie, dass Sie Musik oder Filme aus online Käufen nicht vererben dürfen und das Nutzungsrecht dazu mit Ihrem Tod erlischt?
  • Speichern Sie Firmendaten in einer public Cloud wie Google Drive, dropbox oder iCloud? Wo liegt das Passwort zu diesen Netzwerken? Ihre Kollegen kommen nämlich an diese Daten nicht mehr heran, wenn Ihnen etwas passiert und kein anderer Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen Zugriff auf diese Cloud und die in ihr gespeicherten Daten hat. Eine solche Situation kann kritisch (existenzbedrohend) werden, wenn Sie Teile der Geschäftsabläufe über eine public Cloud laufen lassen.
  • Publizieren Sie online? Sind Ihre Veröffentlichungen urheberrechtlich nach Ihrem Ableben verwaltet? Stichwort: Tantiemen bei Selfpublishern und Fotodiensten.

Wenn das Know-How fehlt – und der Präzedenzfall dazu

Ich glaube, der Mangel an kritischem breiten Diskurs zu digitalen Daten nach dem Tod ist das Resultat fehlenden Know-Hows; sowie fehlender Vorstellungskraft möglicher Konsequenzen.

Die digitale Transformation geschieht rund um uns herum und verändert täglich unsere Lebensstile. Wir produzieren Daten und sind uns aber nur wenig bewusst, was mit diesen nach unserem Ableben passiert. Der breiten Masse fehlt einfach das Wissen um die Konsequenzen jener Technologien, die sie täglich verwendet. Das drückt sich auch in der Rechtssprechung aus, zu der es aktuell noch keine einheitliche Regelung für den digitalen Nachlass gibt.

Und solange kein Millionenbetrug mit Daten Verstorbener geschieht, die ihr digitales Testament zu Lebzeiten vernachlässigten, muss man sich damit abfinden, dass alljährlich ein paar allgemeine Artikel zum digitalen Nachlass in Medien veröffentlicht werden. Die man dann wieder kopiert und „anstandshalber“ (lustlos?) untereinander teilt.

Daten nach dem Tod eine Plattform geben

Lautet die Strategie, das Thema Daten nach dem Tod salonfähig zu machen, also abwarten und Tee trinken, bis ein Supergau eintritt? Vielleicht führt der Weg zu mehr Öffentlichkeit aber auch über eine Berufsgruppe, die zwangsläufig mit dem Thema zu tun hat: über die Bestatter.

Wenn diese nämlich alljährlich zur digina zusammenkommen, der Fachkonferenz für digitalen Nachlass, verleiht das dem Thema mehr Gewicht. Dann könnte die Veranstaltung über den nötigen Nachrichtenwert verfügen und als Motor der Problematik dienen. Bis dahin wird das Motto wohl weiterhin lauten:

„Digitales Testament? Daten nach dem Tod? Uninteressant, wer soll das lesen?“

Zur Autorin

Angelika Wohofsky ist gelernte Germanistin und Geografin. Sie verbrachte 10 Jahre als freiberufliche PR-Beraterin mit Schwerpunkt Presse und Medienkommunikation. Darauf folgten 7 Jahre Journalismus. Seit 2009 bloggt Wohofsky zu verschiedenen Themen im Kontext nachhaltiger Entwicklung. Ab 2015 ist sie nach eineinhalb Jahren Bildungskarenz und Neuorientierung ins Marketing zurückgekehrt und arbeitet als Socialmedia Marketer bei einem mittelständischen Unternehmen. Sie schreibt das Blog „Entdeckt die Welt“ über Online Marketing und Reisen.

Berufsbegleitend studiert Wohofsky an der Donauuniversität Krems im Masterlehrgang Online Media Marketing. Ein Projekt in diesem Studium befasst sich mit dem digitalen Nachlass, was im Blog „Was passiert, wenn’s passiert“ wissenschaftlich und zielgruppenorientiert aufbereitet wird.

3 Gedanken zu „„Daten nach dem Tod sind nicht sexy genug“ – Gastbeitrag von Angelika Wohofsky“

  1. Ein guter und interessanter Beitrag. Gegen das allgemeine Desinteresse (oder ist es Verdrängung?) kämpfen viele Service-Anbieter, App-Provider und Autoren im thematischen Umfeld. Erst, wenn das Leben ernst macht, wird anscheinend auch der digitale Aspekt ernst genommen.
    Doch noch immer wird das dann gerne als Paket einem selbsternannten Problemlöser übergeben: „Recherchieren Sie das, regeln Sie das, löschen Sie alles, Fotos, Beiträge, Konten!“ Das ist doppelt gefährlich. Einerseits kann so manches Wertvolle verloren gehen. Und andererseits: diese Problemlöser schauen tief ins „Eingemachte“, wissen womöglich bald sogar mehr, als die Auftraggeber selbst.
    Sind alle da ganz zuverlässig? Hier sollte sehr sorgfältig ausgewäht werden. Es einfach dem old-school-Bestatter mit übergeben, ist nicht immer der beste Weg.

  2. Pingback: So entstand die digina.16 - Ein Gastbeitrag von Sabine Landes

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