Birgit Aurelia Janetzky hat bereits 2010 ihr Unternehmen Semno für digitales Erbe gegründet. Sie ist damit nicht nur Expertin an der Schnittstelle von Mensch, Tod und Internet, sondern im deutschsprachigen Raum auch eine Pionierin unter den Dienstleistern zum digitalen Nachlass. Heute im Interview bei digital.danach:
Wie kamen Sie zur Bestatterbranche – und was genau machen Sie dort?
Vor 16 Jahren suchte ich eine Alternative zu meiner Arbeit als Bildungsreferentin in einem kirchlichen Verband. Ich habe mich dann als Trauerrednerin selbständig gemacht, schnell kamen andere Feiern zu Lebenswenden und Fortbildungen für Friedhofsmitarbeiter und Seminare zu Ritualen und Trauer hinzu. Das meiste mache ich immer noch, auch wenn sich mein Schwerpunkt hin zu Online-Themen verschoben hat.
2010 habe ich mein Unternehmen Semno gegründet. Seitdem geht es um die Themen digitaler Nachlass und Trauer im Internet. Die jüngste Entwicklung sind eigene Onlineangebote: die Ausbildung zum Trauerredner/ zur Trauerrednerin und eine Vorsorge für den digitalen Nachlass für Privatleute und kleinere Unternehmen.
Wann wurde digitaler Nachlass für Sie zum Thema? Gab es ein bestimmtes Ereignis oder andere Gründe?
Auf den digitalen Nachlass bin ich gestoßen, als ich vor Jahren Einträge aus dem Internet löschen wollte. Ich wollte meinen Namen nicht im Kontext seltsamer Esoterikseiten stehen haben, wo ich mit ein paar Aussprüchen zitiert wurde. Das hatte zunächst nichts mit dem Tod zu tun, sondern war eine Frage der Reputation. Aber da ich schon lange in der Bestattungsbranche arbeitete, lag die Frage nahe: Wenn es für mich als Lebende schon so schwer ist, Einträge zu löschen, wer kümmert sich eigentlich darum, wenn jemand gestorben ist? Ich habe recherchiert, ein Geschäftsmodell entwickelt, mein Team zusammengestellt und Semno gegründet. Immer mit dem Anspruch, keine rein technische Dienstleistung anzubieten, sondern die emotionalen Aspekte, die Trauerbegleitung im Auge zu behalten.
Die wenigsten Onliner sorgen für ihren digitalen Nachlass vor – oder haben überhaupt je über das Thema nachgedacht. Denken Sie, das ändert sich in der nächsten Zeit? Warum tun wir uns alle so schwer mit der Vorsorge?
Die Onliner waren zunächst vor allem jüngere Menschen, für die der Tod und Vorsorgethemen eher weit weg sind. Inzwischen hat die Internetnutzung massiv zugenommen, auch bei älteren Menschen. Das Internet und die Sozialen Medien sind nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Naturgemäß fangen Menschen an sich für Vorsorge zu interessieren, wenn sie selbst in die vorderste Reihe rücken, wenn also die Generation der eigenen Eltern stirbt. Ich kenne viele, die sagen, Vorsorge ist wichtig – ich meine nicht nur die Vorsorge für digitalen Nachlass – es fängt ja schon bei der Altersvorsorge, Patientenverfügung oder einem Testament an. Wer aber im Beruf oder einem Alltag mit Kindern zeitlich und emotional stark gefordert ist, hat schlicht keine Zeit. Es sei denn, er nimmt sich die Zeit ganz bewusst.
Sie sind in den letzten Jahren mit vielfältigen Ansätzen an das Thema herangegangen – was haben Sie alles ausprobiert?
Mein erster Ansatz beim digitalen Nachlass war bei der Hardware. Wir haben Computer analysiert, ein Gutachten über die Daten auf der Festplatte und die Spuren der Internetnutzung erstellt und im Anschluss sind wir diesen Spuren nachgegangen. Im Auftrag der Erben haben wir Profile und Nutzerkonten gelöscht, Guthaben und Verträge zugänglich gemacht. Das Thema war neu. Das Thema war aktuell. So kamen auch immer mehr Anfragen für Vorträge, Seminare, Beratung und Interviews. Inzwischen habe ich das zum Schwerpunkt meiner Arbeit gemacht.
Warum haben Sie den Hardware-Service eingestellt?
Das hatte mehrere Gründe. Zum einen waren wir wohl zu früh auf dem Markt. Unser Angebot wurde zu wenig nachgefragt. Wer noch nie über den digitalen Nachlass nachgedacht hat, sucht keinen Dienstleister, der sich drum kümmert. Die Geräte, Internetplattformen und Nutzergewohnheiten sind dazu so unterschiedlich und entwickeln sich permanent weiter, dass wir mit unserem Ansatz die Abläufe kaum automatisieren konnten. Unterm Strich wurde es für die Kunden zu teuer oder unternehmerisch nicht rentabel.
Zum anderen gibt es in dem Bereich eine rasante Marktentwicklung. Neue Geschäftsmodelle sind entstanden, die durch einen hohen Automatisierungsgrad preisgünstiger eine Lösung anbieten können.
Welche Rolle spielen denn Dienstleister wie Pacem Digital, Columba, Exmedio und Co. für das Thema digitaler Nachlass?
Es ist gut, dass hier Bewegung in das Angebot hineinkommt. Jedes Unternehmen hat einen eigenen Ansatz, allen ist gemeinsam, dass sie sich auf die Onlinekonten spezialisiert haben und so viele Prozesse automatisieren können. Die einen bei der Nachsorge, beauftragt von den Angehörigen, die anderen bei der Vorsorge für den eigenen digitalen Nachlass.
Wie lassen sich Menschen zur Vorsorge sensibilisieren – durch Kampagnen, von Bestattern und Trauerbegleitern oder ganz anders?
Was bewegt Menschen zu einer Handlung? Sie müssen einen Vorteil sehen, der so attraktiv ist, dass sie aktiv werden. Attraktiv wird ein Angebot, wenn man eine Gefahr abwehren kann – hier der Missbrauch von verwaisten Nutzerkonten; Vermögen sichert – hier Übertragung von Guthaben und Werten und Kündigung laufender Verträge; Geheimnisse bewahrt – hier die Definition des letzten Willens.
Je breiter die Medien über diese Fragen berichten, je mehr Bestatter oder Trauerbegleiter darauf aufmerksam machen, desto bewusster wird den Menschen die Dringlichkeit des Themas, desto eher handeln sie.
Und hat auch die Bestattungsbranche noch Nachholbedarf, wenn es um die Nachsorge digitaler Erbfälle geht?
Bestattungsunternehmen tun gut daran, die Auswirkungen der Digitalisierung nicht zu verschlafen. Die Regelung des digitalen Nachlasses ergänzt gut die Abmeldungen bei Rente und Krankenkasse. Sterbefall und Sterbedaten sind verlässlich, das ist ein Vorteil für die Abwicklung. Das Thema kann ein Bestattungsunternehmen gut zur Kundenbindung einsetzen. Und es ist denkbar einfach, da die konkrete Abwicklung ein spezialisierter Dienstleister übernimmt.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
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