Michael Praetorius – #nachhall. Stimmen zum digitalen Nachlass

Unter dem Hashtag #nachhall sammeln wir die Stimmen von Menschen zu Nachlass und Vorsorge im digitalisierten Zeitalter. Ob in epischer Länge oder knackiger Kürze, liegt ganz bei den Interviewpartnern. Heute: Michael Praetorius (www, Twitter). Die Reihe wird unregelmäßig fortgesetzt.

Was ist für dich „digitaler Nachlass“ – und bist du damit schon in Berührung gekommen?

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Also der digitale Nachlass bedeutet für mich: Was soll mit dem, was mein digitales Leben oder mein digitaler Schatten war, passieren, wenn es mir mal nicht mehr so top geht oder wenn ich irgendwann gar nicht mehr da bin. Das muss jeder für sich entscheiden. Aber es ist auch eine Frage für die Angehörigen.

Generell finde ich, man sollte sich mit dem Problemfeld stärker auseinandersetzen. Ich habe das auf verschiedene Art und Weise auch schon gemacht und kann dazu drei Beispiele geben:

Erstens: Wie gehe ich mit den Zugängen um? Ich finde, ein wichtiger Punkt ist, z.B. so etwas wie einen Passwortmanager zu haben, mit einem Passwort für alle Netzwerke, einem Masterkey. Den könnte man bei einem Rechtsanwalt oder bei einem Notar hinterlegen, oder vielleicht auch bei einem Familienmitglied, zu dem man sagt: Hier, da ist ein Umschlag, da ist der Masterkey drin, und ich bring‘ dir dann zu Weihnachten jedes Jahr einen neuen. Das halte ich durchaus für sinnvoll.

Zweitens: soziale Netzwerke. Die sind da sehr weit, allen voran ist Facebook, die gesagt haben, du kannst treuhänderisch Personen auswählen, die im Falle deines Ablebens deinen Account gemeinsam öffnen dürfen. Das habe ich auch genutzt und Leuten das Recht gegeben, gemeinsam diesen Account öffnen zu dürfen. Das ist letztendlich nichts anderes als mit einer Patientenverfügung: Es entscheidet nicht jemand alleine, sondern man entscheidet zu dritt. Das finde ich gut! Eine solche Regelung gibt es noch bei viel zu wenigen digitalen Plattformen. Das fände ich übrigens auch bei Passwortmanagern gut. (Anm. d. Red.: Lastpass hat das.)

Und die dritte Geschichte ist natürlich eine kulturelle. Und wahrscheinlich hat sie auch etwas mit „Übernarzissmus“ zu tun, dann, wenn man z.B. sagt: Ich habe doch jeden morgen bei meiner Lieblingsbäckerei eingecheckt, und ich habe doch immer am Sonntagabend was Lustiges getwittert. Sollte das nicht auch nach meinem Ableben so weitergehen?

Eine sehr, sehr geekige Idee: Man könnte überlegen, sich eine Art Bot zu programmieren, der auch dann, wenn man nicht mehr da ist, weiterhin jeden Montag bei der Lieblingsbäckerei eincheckt. Vielleicht würde man damit seinen Angehörigen ein Stück Erinnerung mitgeben. Das war in der analogen Welt so nicht möglich. Und in der digitalen Welt kann man so etwas theoretisch bauen. Habe ich nicht gemacht, bisher, ist mir vielleicht auch ein bisschen zu drüber, ein bisschen zu spooky, aber trotzdem ein interessanter Punkt, über den man einmal nachdenken kann. (Anm. d. Red.: Siehe „Gonebots„-Interview)

Du bist online aktiv, hast also eine große „Erbmasse“. Hast du schon vorgesorgt oder dir Gedanken gemacht, was du dir für deine virtuellen Hinterlassenschaften wünschst?

Also ich habe keine große Erbmasse 🙂 Ich sehe das so: Das ist alles „nur“ kulturelles Erbe.

Gibt es denn etwas, was du persönlich von den Sachen gerne bewahrt hättest?

Ich kann das nur aus meiner persönlichen Warte sagen. In der Außenwahrnehmung bin ich so ein Rampensau-medienfutzi-mensch (nach innen bin ich manchmal auch ein bisschen leiser), und deswegen ist das Netz seit Jahren voll von Kram von mir. Es gibt hunderte von Videos, es gibt tausende von Statements, es gibt Audiodateien, es gibt Fotos – und ich glaube, dass man die nicht so schnell aus diesem Internet wieder herauskriegt.

Das heißt, ich muss mir gar nicht so viele Sorgen machen, was ich bewahre. Ich brauche mir auch nicht meinen eigenen Nachruf zu basteln, oder schon mal vorzusorgen, welche Schnittbilder es geben soll, falls irgendjemand darüber berichten möchte – es ist ja irgendwie schon alles da. Und ich glaub auch nicht, dass der Bedarf da ist, irgendetwas zurechtzuschnippeln.

Mh, was will man bewahren? Ich glaube, das hat aber gar nichts mit Nachlass zu tun, es verändern sich gerade Formen. Ich meine (ich weiß nicht, wie früh ihr mit dem Internet Erfahrung gemacht habt), es gab mal so etwas wie GeoCities, da haben Menschen ihre ersten Websites gebaut, und irgendwann war das nicht mehr da. Oder Menschen haben mal Myspace genutzt und haben dort ihr Tagebuch geführt. Und ich glaube, es wäre auch traurig, wenn es Twitter irgendwann nicht mehr gäbe. Meine 16.824 Tweets, die insgesamt mindestens dreimal geliked wurden – oder gefavt damals noch – wären auf einmal weg. Davon ein sinnvolles Backup zu ziehen, und dann ausgedruckt in irgendeine kleine Fotokiste zu legen, damit die Verwandschaft noch mal durchscrollen kann – das ist glaube ich sehr schwer.

(Wie) sollen Menschen digital feiern/trauern, wenn es dich nicht mehr gibt?

Das können die Menschen machen, wie sie lustig sind. Wenn jemand meint, er muss sich von Ennio Morricone L’Arena anhören, weil er das Trompetensolo besonders geil findet, oder weil er dabei super heulen kann, dann soll er das gerne tun, gibts auf Spotify. Wenn jemand sagt, „endlich ist er weg, super“ – auch gut. Das soll jeder machen, wie er lustig ist. Da bin ich dann nicht mehr dabei.

1 Gedanke zu „Michael Praetorius – #nachhall. Stimmen zum digitalen Nachlass“

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