Wibke Ladwig (www, fb, twitter) ist „Social Web Ranger“, berät u.a. Bibliotheken und referiert auf der digina.16 über ihren (großen) digitalen Nachlass. Einen Vorgeschmack gibt es in diesem Gastbeitrag
Löschen? Ja? Nein? Was wird mit meinen Daten passieren, wenn ich sterbe?
Daten. Das klingt so wunderbar klinisch rein und strukturiert. In Wahrheit sind es Gedanken und Gefühle in Wort, Bild und Ton, Geschichten aus meinem Alltag und Erlebnisse mit Menschen. Was ich im Social Web mit anderen teile, ist ein Teil meines Lebens, meist aus dem Moment heraus. Es gibt Inhalte, die über diesen Moment hinaus Erinnerungen und Gedachtes am Leben erhalten oder zu neuen Erkenntnissen und Einsichten führen, bei mir oder anderen. Ich habe in Kommentaren beigepflichtet, widersprochen, diskutiert und viel gelacht, Likes und Herzchen verteilt und mich an Aktionen anderer beteiligt.
Löschen? Ja? Wenn ich sterbe, wird alles gelöscht. Es wird kein digitales Geisterwesen geben, das unvermutet in Beiträgen anderer auftaucht oder an dessen Geburtstag Facebook erinnert. Vielleicht taucht mein Name irgendwo auf und jemand googelt nach mir. Es werden ältere Beiträge über mich auftauchen, Texte, Fotos und Videos, die sich nicht löschen ließen. Nach und nach werden die Links weniger. Das Bild, das andere sich von mir nun noch machen können, hängt von den Äußerungen dieser anderen ab, die irgendwann irgendetwas über mich ins Internet schrieben. Dieses Bild wird verblassen. Manchmal gewinnt es wieder an Kontur, wenn sich jemand erinnert.
„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ (Bertolt Brecht)
Löschen? Nein? Wenn ich sterbe, bleibt alles, wie es ist. Der stete Strom an Gedanken, Anmerkungen und Bildern reißt ab. Vielleicht habe ich mich zuletzt über eine Nichtigkeit geärgert und dieser Ärger bleibt als Letztes stehen. Alle meine Beiträge liegen im digitalen Raum herum und haben nun keine Hüterin mehr. Achtlos blättern Menschen darin herum, manche gierig, nachdem sie von meinem Tod hörten und nun nach Anzeichen, Intimitäten oder Geheimnissen suchen. Spam-Kommentare sammeln sich im Blog. Bei Twitter türmen sich zwielichtige Follower. Facebook erinnert brav an meinen Geburtstag und nicht so nahe Kontakte vereinnahmen mit ihren Sinnsprüchen meine Chronik. Als digitale Untote treibe ich durchs Internet. Mein Bild verschwimmt.
„Welche Verantwortung habe ich für meine Daten?“
Was kümmert es mich, wenn ich sterbe? Welche Verantwortung habe ich den Menschen gegenüber, die mir nah sind oder die sich mir nah fühlen? Inwiefern spielt mein eigener Umgang mit Tod und Trauer hierbei eine Rolle? Das sind einige der Fragen und Gedanken, die ich in meinen Vortrag auf der #digina16 mitnehmen werde.