„Bestatter, Internet-Nutzer und Hinterbliebene sensibilisieren“: Pacem Digital-Gründer Marko Kunig im Interview

Marko Kunig
Marko Kunig (c) privat

Marko Kunig, 34, gründet gerade sein Datenlöschungs-Startup “Pacem Digital”. Wir haben ihn im Münchner Tap House getroffen und uns alles über das neue Unternehmen im Bereich digitaler Nachlassverwaltung erzählen lassen.

d.d: Hallo Herr Kunig! Zunächst: Was ist „Pacem Digital“ und welches Problem löst Ihr Service?

M.K.: „Pacem Digital“ ist ein Angebot zur Nachlassvorsorge und -verwaltung im Internet, wir kümmern uns also um das, was man „digitalen Nachlass“ nennt.

Was haben Sie denn vor „Pacem Digital“ gemacht und wie kamen Sie auf die Idee, sich mit digitalem Nachlass auseinanderzusetzen?

Ich musste mich verändern. Nach der Insolvenz meines vorherigen Arbeitgebers stellte sich für mich die Frage, wie es weitergehen soll. In meinen 15 Jahren als Bestatter habe ich häufig miterlebt, dass ich den Hinterbliebenen bei den Problemen der digitalen Nachlassverwaltung nicht weiterhelfen konnte. Meine Ratlosigkeit und die Hilflosigkeit der Hinterbliebenen haben den Entschluss reifen lassen, hier eine Lösung zu entwickeln.

Was genau bietet „Pacem Digital“ an?

Für mich ging es immer darum dem Hinterbliebenen sagen zu können: „Ich kümmere mich darum“ und um dem Hinterbliebenen seine Sorgen zu nehmen. Im digitalen Bereich beginnt diese Aufgabe beim Handyvertrag. Und genau diese Möglichkeit bieten wir den Bestattern, einfach, transparent, mit minimalem Aufwand.

Was sind Ihre persönlichen und unternehmerischen Ziele mit „Pacem Digital“?

Zunächst natürlich, davon leben zu können. Genauso wichtig ist es mir aber, Menschen zu helfen, die plötzlich mit dem undurchsichtigen digitalen Nachlass eines lieben Menschen konfrontiert sind. Ganz wichtig ist uns Datenschutz: Unsere Server stehen in Deutschland, wir legen großen Wert auf Transparenz und erklären ganz offen, wie unser Service funktioniert.

Logo Pacem DigitalGleichzeitig erweitern wir das Angebot natürlich permanent, wir bringen ja gerade erst die erste Version an den Start. Das ist unsere momentane Herausforderung.

Wir sprechen ja potentiell von sehr langen Zeiträumen. Wer heute für seinen digitalen Nachlass vorsorgt, stirbt vielleicht erst in 50 oder 70 Jahren. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Sie (oder Ihre Nachfolger) dann noch handlungsfähig sind und sich um die Daten der Verstorbenen kümmern können?

Auch das ist eine wichtige Aufgabe, aber wir vertrauen darauf, dass wir zusammen mit Treuhand-Gesellschaften auf sehr lange Zeit vorsorgen können. Das wird sicherlich noch ein Stück Arbeit. Auch für die Treuhand-Anbindung ist der Verband unabhängiger Bestatter natürlich wichtig.

Sind Ihre alten Kontakte ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Pacem Digital?

Ja, die alten Kontakte und natürlich die Branchenkenntnis und Berufserfahrung. Dadurch, dass ich viele Jahre im Bestattungswesen gearbeitet habe, weiß ich, was Bestatter wollen und brauchen. Zudem wurden wir von der IHK mit Förderungen und Coachings sehr gut unterstützt.

Wie sind denn die Reaktionen aus der Branche?

Beim Bestatterverband sehr positiv. Bei den einzelnen Bestattern ist das gemischt: Bei einigen gerade älteren Bestattern ist kaum Interesse am Thema Digitalisierung vorhanden; das macht es nicht einfach. Bestatter aller Altersklassen haben aber erkannt, dass es hier einen Bedarf gibt, und die reagieren auch sehr positiv auf unser Angebot. Es nimmt ihnen Arbeit ab und eröffnet ein neues Tätigkeitsfeld. Unser Versprechen ist ein einfaches Handling mit minimalem Aufwand und einer attraktiven Vergütung.

Was fehlt noch, damit Sie richtig durchstarten können? Wo sehen Sie noch Bedarf am Markt?

Es fehlt an Aufklärung. Wir müssen auf der einen Seite Bestatter, auf der anderen Seite Internet-Nutzer und Hinterbliebene sensibilisieren.

Beispielsweise ist den wenigsten Hinterbliebenen klar, dass eine Todesanzeige in der Zeitung eine ideale Quelle für Datenkriminelle darstellt: Voller Name, Geburtsdatum, Region. Die Adresse gibt es im Telefonbuch – und schon steht eine digitale Quasi-Identität bereit. Und nur wenige machen sich Gedanken, was aus bestehenden Verpflichtungen und den riesigen Datenspuren wird, die man im Internet hinterlässt.

Angehörige haben nach dem Tod den Bestatter als ersten und wichtigsten Ansprechpartner – und der sollte auf all diese Punkte hinweisen. Wir merken aber schon, dass sich da was tut: Immer mehr Bestatter weisen im Erstgespräch darauf hin, dass es da auch noch einen Online-Nachlass geben könnte.

Welchen Tipp geben Sie Vorsorgenden?

Halten Sie fest, wo sie überall relevante Daten hinterlegt haben. Wichtige letzte Wünsche sollten zudem handschriftlich, mit Datum versehen und unterschrieben an einen zentralen Ort gelegt werden. Außerdem ist es sinnvoll, sich schon in jungen Jahren – bevor man an solche Dinge normalerweise denkt – einen Bestatter zu suchen und mit ihm alles zu klären. Ähnlich wie Versicherungen und Banken sollte man den Bestatter dann natürlich auch über persönliche Veränderungen wie Umzüge informieren.

Und abschließend noch eine Frage: Macht es Spaß mit „Pacem Digital“?

Ja, auf jeden Fall. Ich genieße als junger Vater die Flexibilität als Selbstständiger, bislang war ich ja immer angestellt. Und ich mag das Gefühl, Menschen Menschen in einer schwierigen Situation unterstützen zu können. Gleichzeitig bin durchaus erleichtert, vom Bestatteralltag mit seiner starken emotionalen Belastung ein Stück weggerückt zu sein.

Icons (c) Christian Bogdan Rosu (www.glypho.eu/free-icons)

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